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Konflikte am Arbeitsplatz gehören für viele Menschen zum Alltag. Spannungen zwischen Kollegen, Missverständnisse oder gar eskalierende Auseinandersetzungen können nicht nur an den Nerven zehren, sondern auch die Arbeitsatmosphäre und Produktivität massiv beeinträchtigen. Schnell wird dann nach Schuldigen gesucht: Ist der Kollege zu stur? Die Chefin zu fordernd? Oder das Team schlicht überfordert? Doch diese Art der Schuldzuweisung greift oft zu kurz – und genau hier lohnt sich ein Blick auf die systemische Perspektive.
Konflikte: Ein unvermeidlicher Teil des Systems
Klaus Eidenschink beschreibt in seinem Buch Die Kunst des Konflikts, dass Konflikte nicht nur unvermeidbar sind, sondern oft auch einen positiven Beitrag leisten können. Sie machen auf Spannungen aufmerksam, die innerhalb eines Systems – wie beispielsweise einem Unternehmen – bestehen. Konflikte sind demnach keine „Fehler“, die von Einzelpersonen verursacht werden, sondern Ausdruck systemischer Dynamiken. Geht im Auto die Tank-Warnlampe an, handelt es sich dabei ja auch nicht um einen Fehler, sondern um einen Hinweis, dass etwas im System Auto am Kippen ist. Ähnlich verhält es sich mit Konflikten. Auch sie liefern eine wertvolle Hinweisfunktion, dass etwas anders läuft.
Das bedeutet: Wo Menschen zusammenarbeiten, treffen unterschiedliche Bedürfnisse, Erwartungen und Rollen aufeinander. Diese Differenzen sind nicht per se das Problem – vielmehr zeigt ein Konflikt, dass im System etwas verändert oder angepasst werden muss. Schuldzuweisungen an Einzelpersonen lenken dabei von der eigentlichen Ursache ab und verhindern oft, dass die zugrundeliegenden Spannungen lösungsorientiert angegangen werden.
Konflikte soziologisch betrachten: Strukturen vor Personen
Auch die Soziologie bietet wertvolle Ansätze für den Umgang mit Konflikten. So beschreibt etwa der Soziologe Niklas Luhmann, dass Organisationen als soziale Systeme funktionieren, in denen Kommunikation der zentrale Motor ist. Konflikte entstehen demnach nicht primär aus persönlichen Unzulänglichkeiten, sondern aus strukturellen Widersprüchen. In der Praxis lässt sich das beispielsweise immer dann beobachten, wenn in einem Gremium ein Konflikt herrscht, die Gremiumsmitglieder sukzessive ausgetauscht werden, der Konflikt aber trotzdem weiterläuft. Oder die Abteilung Innendienst sich seit Jahrzehnten mit der Abteilung Außendienst im Konflikt befindet, obwohl in beiden Abteilungen ein reger personeller Wechsel herrscht. All diese Situationen geben uns den Hinweis: Es liegt nicht an den Personen.
Ein weiteres Beispiel soll Klarheit bringen: Eine Abteilung soll effizienter arbeiten, gleichzeitig sollen die Mitarbeitenden kreativ und innovativ sein. Diese widersprüchlichen Anforderungen führen zwangsläufig zu Spannungen, die sich in Konflikten zwischen Mitarbeitenden oder Teams äußern können. Hier zeigt sich, dass nicht die Personen das Problem sind, sondern die Rahmenbedingungen, unter denen sie arbeiten.
Die Rolle von Führungskräften: Vermitteln statt Schuld zuweisen
Führungskräfte spielen in Konfliktsituationen eine entscheidende Rolle. Sie sind oft diejenigen, die Konflikte moderieren und lösen (insbesondere das ist eine unlösbare Aufgabe) sollen – und gleichzeitig stehen sie selbst oft im Zentrum der Kritik. Ein wichtiger Schritt, um Konflikte konstruktiv zu bearbeiten, ist es, weg von der Personalisierung hin zu einer systemischen Betrachtung zu gelangen. Das bedeutet:
- Hinterfragen der Strukturen: Welche Arbeitsbedingungen oder Prozesse tragen zum Konflikt bei?
- Schaffen von Transparenz: Offene Kommunikation über die bestehenden Spannungen kann helfen, Missverständnisse zu klären.
- Fokus auf die Ressourcenorientierung: Statt Schuld zu verteilen, sollte die Frage im Vordergrund stehen: Was können wir an unseren Strukturen und unserer Zusammenarbeit ändern, um zukünftig solche Konflikte zu vermeiden?
- Weitermachen statt Lösen: Konflikte zu lösen ist eine unlösbare Aufgabe, denn das würde bedeuten, man könne das Gegenüber von der eigenen Wahrheit überzeugen (vgl. dazu Sprenger – Die Magie des Konflikts). Stattdessen ist es hilfreich sich auf pragmatisches Weitermachen zu fokussieren und den nächsten Schritt zu machen. Klartext: Es muss eine Entscheidung getroffen werden, damit anders weiterkommuniziert (zusammengearbeitet) werden kann.
Fazit: Konflikte als Chance sehen
Konflikte im Arbeitskontext sind nicht das Problem, sondern eine Chance zur Weiterentwicklung – wenn man sie aus einer systemischen Perspektive betrachtet. Sie machen sichtbar, wo Strukturen nicht passen oder Prozesse überarbeitet werden müssen. Statt Menschen die Schuld zu geben, sollten wir verstehen, dass Konflikte oft Symptome tieferliegender Dynamiken sind. Und genau das ist der erste Schritt zu einer konstruktiven Konfliktkultur.