Motivation, Methoden, Mythen – und das eigentliche Problem, über das keiner spricht

Unternehmen ändern lieber Menschen, statt die Verhältnisse, die ihr Verhalten bestimmen. Doch über Wettbewerbsfähigkeit entscheidet heute vor allem eins: die Struktur.

Einfache Anfrage, große Ernüchterung

Ein Kunde will eine kleine Sonderlösung. Kein Hexenwerk, nur eine Abweichung vom Standardprodukt. Eigentlich könnte man sofort loslegen. Doch im Unternehmen greift die gewohnte Maschinerie: Der Vorgesetzte prüft, das Meeting diskutiert, das Gremium beschließt. Schließlich landet die Anfrage auf der Prioritätenliste – Platz 17. Umsetzung: „Nächstes Jahr.“
Nur: Im nächsten Jahr ist der Kunde längst weg. Er hat längst jemanden gefunden, der nicht auf Gremien wartet, sondern liefert. Und die Mitarbeitenden? Die, die anfangs motiviert waren, spüren die Sinnlosigkeit. Engagement verdampft, Zynismus breitet sich aus. Willkommen in der Realität deutscher Unternehmen.

Wir suchen an den falschen Stellen

Fast alle Firmen spüren den Druck. Märkte werden unberechenbarer, Kunden ungeduldiger, Fachkräfte rarer. Die Standardantwort: bessere Führungskräfte. Mehr Motivation. Neue Methoden. Also werden Seminare gebucht, Programme gestartet, Buzzwords durch die Flure gejagt. Ein halbes Jahr Euphorie – und dann? Die Ernüchterung: Das Problem ist zurück. Nicht, weil die Menschen versagt hätten. Nicht, weil die Methode schlecht war. Sondern, weil die Struktur unverändert blieb.

Strukturen sind keine Naturgesetze – aber sie entscheiden über den Marktanschluss

Die meisten Organisationen behandeln ihre Strukturen, als wären sie gottgegeben: Abteilungen, Zuständigkeiten, Hierarchien –
„das war schon immer so“. Doch genau diese Strukturen bremsen. Sie sorgen dafür, dass einfache Entscheidungen Wochen dauern, dass Abteilungen gegeneinander statt miteinander arbeiten und dass Chancen im bürokratischen Nebel verschwinden. Das eigentlich Absurde: Statt die Verhältnisse zu verändern, die dieses Verhalten erzeugen, versuchen Unternehmen, ihre Menschen zu verbiegen. Sie veranstalten Methodenfeuerwerke, schicken Heerscharen von Coaches durchs Haus und hoffen, dass die Belegschaft plötzlich ganz anders handelt – in denselben Strukturen, die jede Veränderung unmöglich machen. Dabei ist es genau umgekehrt: Nicht die Menschen müssen sich ändern – die Strukturen müssen anders gebaut werden. Und das Schöne daran: Strukturen sind entscheidbar. Veränderbar. Jederzeit. Nur wirkt es oft so, als sei genau das tabu.

Menschen sind die falschen Sündenböcke – Strukturen machen den Unterschied

Wenn etwas schiefläuft, zeigt der Finger fast reflexartig auf Personen: „Die Führungskraft ist überfordert.“ „Die Mitarbeitenden ziehen nicht mit.“ „Das Management ist zu langsam.“ Also werden Köpfe ausgetauscht, Trainings verordnet, externe Coaches gebucht. Doch nichts davon ändert die Tatsache: Die Organisation ist so gebaut, dass selbst kleine Anpassungen zur Geduldsprobe werden. Es ist, als würde man den Fahrer wechseln, wenn das Auto keine Bremsen hat.

Veränderung heißt: Strukturen anfassen, wenn man im Spiel bleiben will

Wer eine Organisation zukunftsfähig machen will, muss an die Substanz. Keine Wohlfühlprogramme, keine Motivationsshows. Sondern echte Eingriffe: Entscheidungen dorthin verlagern, wo die Informationen liegen. Ein Team, das am Kunden arbeitet, darf nicht auf den Segen der Geschäftsführung warten müssen. Abteilungsgrenzen durchlässig machen. Kundenprobleme laufen quer durchs Unternehmen – also müssen auch Lösungen quer gedacht werden. Routinen infrage stellen. Stabilität von gestern ist heute oft die größte Gefahr.

Beispiel: In vielen Unternehmen dürfen Preisnachlässe nur von der Geschäftsführung genehmigt werden. Klingt nach Kontrolle, führt aber dazu, dass der Vertrieb im entscheidenden Moment blockiert ist. Ergebnis: verlorene Aufträge, frustrierte Verkäufer, verärgerte Kunden.

Der Preis der Bequemlichkeit ist verlorene Wettbewerbsfähigkeit

Von innen fühlt es sich an wie „schwierige Zeiten“. Von außen sieht sieht man klar: Das Unternehmen verliert den Anschluss. Kunden wandern ab. Talente suchen sich Arbeitgeber, die ihnen Gestaltungsspielräume bieten. Innovationen entstehen woanders. Während intern noch über die nächste Mitarbeiterbefragung gestritten oder das nächste „Change-Programm“ geplant wird, hat die Konkurrenz längst Fakten geschaffen. Wer Strukturen nicht verändert, zahlt den Preis – egal, wie viele Benefits er verteilt oder wie viele Berater er engagiert.

Die unbequeme Wahrheit: Nur veränderbare Strukturen sichern Zukunft

Wettbewerbsfähigkeit entsteht nicht durch Heldenfiguren, Motivationsprogramme oder Management-Hypes. Sie entsteht, wenn Organisationen ihre Strukturen so gestalten, dass sie Überraschungen aushalten. Nicht einmal. Immer wieder. Denn Märkte hören nicht auf, sich zu verändern. Also darf auch die Organisation nicht aufhören, sich zu verändern.

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